Die 10 grĂ¶ĂŸten Corona-IrrtĂŒmer von Viren-Experte Karl Lauterbach | Leben & Wissen | BILD.de

Impfungen, Mutationen, Intensivstationen, Kinder: 10 Corona-IrrtĂŒmer von Viren-Experte Lauterbach

Seine Thesen und Aussagen sind oft alarmierend – doch nicht immer richtig. Der Experten-Check

Äußert in sozialen Medien seine Bedenken und Prognosen: Karl Lauterbach

Äußert in sozialen Medien seine Bedenken und Prognosen: Karl Lauterbach

Foto: Niels Starnick / BILD

Berlin – Er ist DAS Corona-Gesicht der deutschen Politik: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (58) erklĂ€rt uns seit einem Jahr in Talkshows und Pressekonferenzen die Pandemie, gibt Empfehlungen ab, stellt Thesen auf.

Die Aussagen des RheinlĂ€nders: oft alarmierend. Allerdings liegt der Mahner der Nation mit seinen Prognosen regelmĂ€ĂŸig auch mal daneben. BILD dokumentiert seine grĂ¶ĂŸten IrrtĂŒmer – und was Lauterbach heute dazu sagt.

Mundschutz kann man aus Staubsaugerbeuteln basteln

★ Bei Markus Lanz (9. April 2020) erklĂ€rt Lauterbach, Staubsaugerbeutel seien das beste Material, um selbst Atemschutzmasken herzustellen.

Der Hersteller Swirl warnte vor GesundheitsschÀden: Man verwende u. a. Stoffe wie Zink-Pyrithion und Aktivkohle. Auch die Drogerie-Kette dm bat eindringlich darum, Masken NICHT aus den Beuteln zu basteln. Sie könnten gesundheitsschÀdliche Stoffe enthalten, die beim Aufschneiden des Materials freigesetzt werden könnten und die Atemwege schÀdigen.

Lauterbach: „Nicht alle Staubsaugerbeutel enthalten diese schĂ€dlichen Stoffe. Außerdem war das lediglich ein Vorschlag, was man in der Not machen könnte.“

Long Covid ist ein großes Problem bei Kindern

★ Lauterbach bei Maybrit Illner (6. Mai): „Sieben Prozent der Kinder, das ist unstrittig, die sich infizieren, entwickeln Long-Covid-Symptome.“

Diese Meinung scheint er exklusiv zu haben. „Sie mĂŒssen schon mit einer sehr, sehr großen Lupe suchen, um FĂ€lle von Long Covid bei Kindern zu entdecken“, sagt der Berliner Kinderarzt Dr. Jakob Maske (50), Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und JugendĂ€rzte.

Einen Ă€hnlichen Eindruck hat auch Dr. Martin Karsten, der ebenfalls eine große Kinderarzt-Praxis (bis 3000 Kinder pro Vierteljahr) in der Hauptstadt betreibt. „Wir hatten in der gesamten Zeit ein einziges Kind, bei dem wir den Verdacht von Langzeitfolgen nach einer Erkrankung mit Covid-19 hatten“, sagt der Arzt.

Lauterbach rĂ€umt auf BILD-Anfrage ein, in Deutschland gĂ€be es dazu keine Daten. Er beruft sich auf eine britische Studie. NatĂŒrlich gĂ€be es auch Studien, die auf geringere Inzidenzen kĂ€men, aber in Deutschland gĂ€be es keine Daten dazu. „Ich wollte damit erreichen, dass durch Wechsel- und Distanzunterricht nicht so viele Kinder erkranken.“

Die Patienten auf den Intensivstationen werden immer jĂŒnger

★ Im Talk bei Maybrit Illner (16. April 2021) sagt Lauterbach: „Diejenigen, die jetzt auf Intensivstationen behandelt werden, sind im Durchschnitt 47 bis 48 Jahre alt. Die HĂ€lfte von denen stirbt. Viele Kinder verlieren ihre Eltern. Das ist eine Tragödie.“

Fakt ist: Niemand wusste zu dem Zeitpunkt, wie alt die Intensivpatienten wirklich sind.

Auf eine Anfrage der FDP-Politikern Judith Skudelny im April, teilte die Bundesregierung mit, dass bei der Übermittlung der Intensivbetten-KapazitĂ€ten keine Daten zum Alter der Patienten erfasst wurden. Grund: Man habe diese Daten bisher nicht „als erforderlich angesehen“.

Was außerdem gegen Lauterbachs Aussage spricht: Laut Statistischem Bundesamt sanken die Todeszahlen im April 2021 im Vergleich zum Januar:

‱ 30- bis 35-JĂ€hrige: 234 Tote im Januar, 218 im April ‱ 40- bis 45-JĂ€hrige: 521 Tote im Januar, 511 im April ‱ 45- bis 50-JĂ€hrige: 894 Tote im Januar, 803 im April ‱ 50-bis 55-JĂ€hrige: 1953 Tote im Januar, 1844 im April ‱ 55- bis 60-JĂ€hrige: 3451 Tote im Januar, 3238 im April Bei den 35- bis 40-JĂ€hrigen waren es sowohl im Januar als auch im April 236 TodesfĂ€lle.

Lauterbach rĂ€umt „glattweg eine FehleinschĂ€tzung“ ein. „Meine EinschĂ€tzung kam durch persönliche GesprĂ€che zustande, die ich mit den Leitungen von Intensivstationen gefĂŒhrt habe. Zum GlĂŒck ist es dann nicht so gekommen, wie ich nach diesen GesprĂ€chen befĂŒrchtet hatte.“

Ein Asthmaspray schĂŒtzt vor Corona

★ Im April 2021 erklĂ€rte Lauterbach das Asthmaspray Budesonid zum möglichen „Gamechanger“ in der BekĂ€mpfung von Covid-19 und zitiert eine Studie.

An der Studie nahmen 146 Probanden teil. Zu wenig, urteilen Fachgesellschaften. Außerdem wussten die Teilnehmer und Ärzte, welcher Patient das Spray bekommt. Ein Placebo-Effekt ist demnach nicht auszuschließen.

Daraus lasse sich keine generelle Empfehlung fĂŒr Patienten mit Covid-19 ableiten, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Österreichischen Gesell­schaft fĂŒr Pneumologie (ÖGP) und der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Allergologie und klinische Immuno­logie (DGAKI). Die EuropĂ€ische Arzneimittelagentur EMA empfiehlt den Einsatz ebenfalls nicht. Es gebe bislang keine ausreichenden Hinweise fĂŒr einen Nutzen, ein Schaden durch den Einsatz des Mittels könne ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Lauterbach: Sein Satz gelte natĂŒrlich nur, wenn sich die Ergebnisse der Studie bestĂ€tigen wĂŒrden 


Die indische Mutante ist 20 Prozent ansteckender

★ Lauterbach in BILD am SONNTAG (30. Mai): „Die indische Variante ist wahrscheinlich 20 Prozent ansteckender als die britische.“

Der Frankfurter Virologe Martin StĂŒrmer: „Wie viel ansteckender die indische Variante ist, muss in Labor-Studien erst mal ĂŒberprĂŒft werden. Die aktuellen Daten aus Großbritannien zeigen, dass sie sich Ă€hnlich wie die britische Variante verhĂ€lt. Heißt: Vermutlich wird sie Ă€hnlich ansteckend sein wie die britische Variante.“

Spannend: Der bisherige Anteil der Infektionen mit der indischen Variante betrĂ€gt in Deutschland seit ein paar Wochen nur rund zwei Prozent. „Die britische Variante hat sich in Deutschland deutlich schneller ausgebreitet. Dass die Verbreitung der indischen Variante jetzt seit Wochen konstant bleibt, gibt Hinweise darauf, dass sie doch nicht so ansteckend sein könnte wie ursprĂŒnglich vermutet“, sagt Virologe StĂŒrmer.

Lauterbach kann seine These nicht belegen, sagt, es sei die einzige ErklĂ€rung, „dass die indische Variante in vielen Grafschaften die britische Mutation verdrĂ€ngen konnte“.

Kinder sind große Virenschleudern

★ Lauterbach misst Kindern bei der Verbreitung des Virus eine große Rolle zu: „Enthusiasmus ĂŒber Impftempo kann nicht darĂŒber hinwegtĂ€uschen, dass wir vor Juli kaum Eltern impfen werden. Massive SchulausbrĂŒche werden Eltern dann sehr hart treffen.“ (12. April 2021)

Dem widersprechen aktuelle Daten. Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklĂ€rte: „Eine grundsĂ€tzliche Beobachtung aus den Meldedaten ist, dass die Inzidenzen in den jĂŒngeren Altersgruppen – bis etwa 15 Jahre – erst dann zu steigen begannen, als sie schon mehrere Wochen bei den jĂŒngeren Erwachsenen erhöht waren.“ Daraus könne man schließen, dass Kinder keine Pandemie-Treiber sind, so das RKI.

Lauterbach: Durch das AbschwĂ€chen der dritten Welle seien auch Kinder und Jugendliche nicht so betroffen. „Wenn es wirklich so gekommen wĂ€re, wie das RKI mit den sehr hohen Inzidenzen vorhergesagt hat, dann hĂ€tte das zweifelsfrei auch Kinder und Jugendliche massiv betroffen.“

Monster-Mutation aus indischer und britischer Variante

★ In BILD warnt Lauterbach am 16. Mai vor einer Kombination aus indischer und britischer Variante. „Das ist ein biologischer Prozess, den man auch im Labor verfolgen kann.“

„Bei Rekombinationen ist die Voraussetzung, dass ein Mensch mit zwei Virusvarianten infiziert ist“, sagt der Virologe Dr. Martin StĂŒrmer. „Und dann mĂŒssen sich die Gene auch noch so elegant austauschen, dass dabei eine neue Supervariante entsteht. Das halte ich nicht fĂŒr unmöglich, aber in der augenblicklichen Situation eher fĂŒr unwahrscheinlich.“

Und Epidemiologe Klaus Stöhr ergĂ€nzt: So etwas „spielt gegenwĂ€rtig bei der PandemiebekĂ€mpfung keine relevante Rolle“.

Lauterbach zu BILD: „Von Rekombinationen habe ich nie etwas gesagt. Und so war es auch nicht gemeint, das ist eine völlig abwegige Vorstellung. Mir ging es tatsĂ€chlich um das Auftreten von Mutationen, die sowohl die Eigenschaften Ă€hnlich der britischen wie der indischen Variante haben. Und genau das ist jetzt in Vietnam aufgetreten.“

Die Fußball-EM muss ohne Zuschauer stattfinden

★ Am 17. Januar twitterte der SPD-Politiker: „Im MĂ€rz wird die Entscheidung zur Fußball-EM getroffen. Da wir dann in Europa noch mitten in der Covid-Pandemie sind, bezweifele ich, dass die DurchfĂŒhrung beschlossen wird. Wenn, dann als Geisterspiel-EM.“

Inzwischen steht fest: Die Fußball-EM soll ĂŒberwiegend mit Zuschauern stattfinden. Die Auslastung der Stadien betrĂ€gt zwischen 20 und 100 Prozent.

Kommentar von Lauterbach: „Das hĂ€tte auch anders ausgehen können. Niemand freut sich mehr darĂŒber als ich, dass der Fußball jetzt stattfinden kann.“

Kinder und Jugendliche mĂŒssen geimpft werden

★ Lauterbach drĂ€ngt auf die Impfung von Kindern und Jugendlichen. Er erklĂ€rt in der BILD am SONNTAG (30. Mai): „Unser Impfziel von 80 Prozent schaffen wir nicht, ohne auch die Zwölf- bis 18-JĂ€hrigen zu impfen. (
) Sollte es zu einer vierten Welle kommen, und das ist keineswegs ausgeschlossen, wĂŒrden die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler besonders darunter leiden.“

Was er außer Acht lĂ€sst: Eine Corona-Infektion verlĂ€uft bei Kindern und Jugendlichen in den meisten FĂ€llen asymptomatisch oder mild. Virologe Prof. Peter Kremsner (60): „Die Impfreaktion ist bei Kindern und Jugendlichen viel stĂ€rker als bei Ă€lteren Menschen.“ Das stehe in keiner Relation zu den Auswirkungen einer Corona-Infektion, von der viele junge Menschen noch nicht einmal etwas bemerkten.

Lauterbach sagt, nur so könne man SchulausfĂ€lle im Herbst verhindern. „Wenn normaler Unterricht stattfinden soll, mĂŒssen wir Kinder und Jugendliche impfen. NatĂŒrlich auf freiwilliger Basis.“

Lockerungen fĂŒhren zur Explosion der Fallzahlen

★ Am 5. Mai 2020 warnte Lauterbach bei Markus Lanz: Wenn bald alles erlaubt wĂŒrde „mit der Bitte, dabei eine Maske zu tragen und Abstand zu halten, kommt das exponentielle Wachstum rasch zurĂŒck“.

Stattdessen sanken die Fallzahlen: Am 1. Juni lag die Inzidenz bei 3,6, am 15. Juni bei 2,5, am 7. Juli bei 2,9, am 3. August bei 5,1.

Lauterbach sieht sich hier völlig zu Unrecht kritisiert: „Was soll das? Wir haben doch ĂŒberhaupt nicht wieder alles erlaubt! Wir hatten doch durchgehend einen Teil-Lockdown!“

▶ Wie Lauterbach seine Rolle in der Krise wahrnimmt? Nicht als Pessimist: „Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir die Pandemie mit genĂŒgend Impfstoff besiegen werden.“

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